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Beitrag vom 16.05.2008
Melody Gardot – Worrisome Heart
Silvy Pommerenke
Dieses Mal kommt das Wunderkind nicht aus London, wie Amy Winehouse, sondern das unglaubliche Nachwuchstalent, dessen Name ein sprechender ist, stammt aus Philadelphia.
Auch wenn Melody Gardot erst etwas über zwanzig Jahre auf die Waagschale bringt, sie rein optisch überhaupt nichts mit Miss Winehouse zu tun hat, so gibt es manch Analogie zwischen diesen so unterschiedlichen Ladys, vor allem, was die Intonation betrifft, die sie bisweilen an ihre tätowierte musikalische Schwester erinnern lässt. Aber dies betrifft wirklich nur die ruhigen Stücke Gardots, denn die Amerikanerin singt einige Tonlagen höher als die Britin. Vor allem erweckt sie Erinnerungen an die abgeklärte Tracey Thorn, die verspielte Doris Day, die bluesige Carole King oder manchmal einfach nur an die verträumte Norah Jones. Damit wären jetzt erst einmal die Schubladen aufgemacht, um die Amerikanerin irgendwie einzuordnen, und Sie sehen schon, das Spektrum ist breit, was sich hier offenbart. Man könnte ihre Art der Musik auch Folk-Blues oder Acoustic Jazz nennen, aber auch diese Schubladen sind eindeutig unzureichend für dieses Ausnahmetalent.
Für sie gilt leider das gleiche, wie für manch eine/n andere/n Künstler/in: Die Pein des Lebens hat sie wohl erst zu solch wundervollen Songs hingeführt. Ein dramatischer Unfall, den sie als 19-Jährige erfahren musste, zog Brüche und diverse andere Verletzungen nach sich, unter denen sie bis heute leidet. Die dunkle Brille, mit der sie permanent abgelichtet ist, und die auf den ersten Blick lediglich als stylisches Outfit anmutet, ist ebenfalls diesem Unfall geschuldet. Vermutlich hat erst dieser Schicksalsschlag die junge Frau zu diesen außerordentlichen Leistungen fähig gemacht. Erstaunlich ist dabei allerdings, dass ihre Songs zwar ruhig und emotional klingen, aber niemals verdrossen oder depressiv. Im Gegenteil, sie machen Lust aufs Leben, auf Nachdenklichkeit, auf die Suche nach neuen Inhalten und neuen Lieben. Somit sind die Lieder Melody Gardots durchaus lebensfroh und lebensbejahend, mit einem Hang zur Melancholie.
Anspieltipps: Die zehn Songs der Debut-CD sind eigentlich alle ausnahmslos schön. Aber natürlich gibt es auch hier Stücke, die besonders positiv herausfallen. Ganz im Doris Day Stil gehalten ist beispielsweise "Gone", der mit dezenter Geige unterstützt und durch behutsames Songwriting getragen wird. Der Titelgeber "Worrisome Heart" ist ein klassisch-tragischer Blues-Song, der unglaublich intensiv herüberkommt. "Sweet Memory" trägt ganz zarte Country Elemente in sich, die aber nicht störend wirken, sondern im Gegenteil eher anziehend sind. "Quiet Fire" geht in eine Soul-Blues Richtung, und man kann gar nicht genug davon bekommen. "One Day" hingegen zielt deutlicher in den Jazzbereich ab und bei "Love Me Like A River Does" - mit Abstand der genialste Song dieses Albums - tauchen diese latenten Analogien zu Amy Winehouse auf – wenn sie denn mal nüchtern wäre ... Insgesamt ist dieses Debutalbum fetter Stoff für das Herz und die Seele, also tun Sie Sich selbst einen Gefallen und kaufen dieses Album – es lohnt sich!
Melody Gardot im Netz: www.melodygardot.com und auf MySpace
Weiterhören: Ane Brun und Fiona Apple
AVIVA-Tipp: Diese CD ist fast zu schön, um wahr zu sein! Das amerikanische Ausnahmetalent Melody Gardot schafft es, in einem jungen Alter eine Lässigkeit und eine Überzeugungskraft mittels ihrer Musik zu erzeugen, für die manch andere Musikerin Jahrzehnte benötigt. Gardot setzt ihren Kopf durch, lehnt den sogenannten Mainstream ab, spielt leise Lieder, die zwischen Jazz, Folk, Blues und Pop hin- und herwandern, und genau deswegen wird ihr wahrscheinlich der Weg nach ganz oben offen stehen. Dies ist erst das Debut, wer weiß, was danach noch alles kommen mag ...
Melody Gardot
Worrisome Heart
Label: Universal Classics and Jazz, VÖ März 2008